Hasegawa Kai - Haiku Auswahl

 

Übersetzung:

Udo Wenzel mit freundlicher Unterstützung von Robert F. Wittkamp,

 Richard Gilbert und Itô Yûki

 

 

Hasegawa Kai (長谷川 geb. 1954) gendai haiku no kanshô

[Das moderne Haiku würdigen],

Hasegawa Kai (Hrsg.), Shinshokan, Tôkyô: 2001, S. 208 f.

 

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春の水とは濡れてゐるみづのこと

はるのみずとはぬれているみずのこと

haru no mizu towa nurete wiru mizu no koto

 

„Frühlingswasser“ – das ist genässtes Wasser!

 

Anmerkung von Hasegawa Kai: In dieser Welt kann beinahe alles mit Wasser genässt werden. Aber es gibt einen Gegenstand, der nicht durch Wasser nass gemacht werden kann: das ist das Wasser selbst. Wasser macht andere Dinge nass, aber kann selbst nicht genässt werden. Gleichwohl vermittelt das Wasser des Frühlings auf einzigartige Weise eine besondere Empfindung: dass es ein Wasser ist, das selbst „genässt“ ist. Obgleich es auch Wasser ist, habe ich die Intuition, dass Frühlingswasser nass gemacht werden kann.

 

 

 

冬深し柱の中の濤の音

ふゆふかしはしらのなかのたみのおと 

fuyu fukashi hashira no naka no nami no oto

 

Tiefer Winter

zwischen den Säulen

der Wellen Rauschen

 

 

Anmerkung von Hasegawa Kai: Nach meinem Universitätsabschluss begann ich in der Stadt Niigata als Zeitungsreporter zu arbeiten. Südwestlich liegt die Küstenstadt Izumozaki, ein Ort, an dem sich einst Bashô aufhielt. In „Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland“ (Oku no hoso michi) wird der Aufenthalt beschrieben. Bashô schrieb dort folgendes Haiku:

 

 

 
荒海や佐渡によこたふ天の川
あらうみやさどによこたうあまのがわ
araumi ya sado ni yokotau amanogawa

Rauher Wellengang  —

Weit nach Sado hinüber spannt sich

der Himmelsfluß…

(Übersetzung von G. Dombrady)


Im Winter wehen hier jeden Tag starke Nordwinde und riesige, dunkle Wellen schlagen gegen das Ufer. Nachts hört man von der massiven Säule des Wohnhauses den Widerhall der stürmischen See, deren Wellen vom Meeresgrund geräuschvoll hervorströmen.

 

 

 

夏の闇鶴を抱へてゆくごとく

なつのやみつるをかかえてゆくごとく

natsu no yami tsuru wo kakaete yuku gotoku

                                               

Sommerfinsternis

als ginge ich

mit einem Kranich im Arm

 

 

 

日盛のこの世を過ぎて蝶消えし

ひざかりのこのよをすぎてちょうきえし

hizakari no kono yo o sugite chô kieshi

 

Pralle Sommersonne

diese Welt hinter sich lassend

verschwindet ein Schmetterling

 

 

 

葉先より指に梳きとる蛍かな

はさきよりゆびにすきとるほたるかな

hasaki yori yubi ni sukitoru hotaru kana

 

Von der Spitze des Blattes

in die Finger gekämmt,

ein Leuchtkäfer

 

 

 

竹刈って月の光に打たせあり

たけかってつきのひかりにうたせあり

take katte tsuki no hikari ni utaseari

 

Bambus mähen

bitte lass ihn

vom hellen Mondlicht

schlagen