Uda Kiyoko (宇多 喜代子) — Haiku-Auswahl
Übersetzt von Kanae Shirai-Elfeky und Udo Wenzel
Februar 2008
Dieser Link führt zu einem handgeschriebenen Haiku,
das auf die Bitte von Richard Gilbert und Itô Yûki während des Interviews
in Ôsaka (Japan), im August 2007, geschrieben wurde.
麦よ死は黄一色と思い込む
むぎよしはきいっしょくとおもいこむ
mugi yo shi wa ki isshoku to omoikomu
Weizen -
der Tod ist allein goldfarbig,
gewiss
ねむりつつ深井へ落とす蝶の羽
ねむりつつふかいへおとすちょうのはね
nemuri tsutsu fukai e otosu chô no hane
Schlummernd fällt ein
Schmetterlingsflügel hinab
in den tiefen Brunnen
もてあます首の長さや苗代寒
もてあますくびのがながさやなしろがん
moteamasu kubi no nagasa ya nashirogan
Der viel zu lange Hals
in der Kälte der Reispflanzzeit
(zu „Kälte der Reispflanzzeit“ siehe Anmerkung unten zu ‘nashirogan’)
早苗饗のいちにち湯野の湯の熱き
さなぶりのいちにちゆののゆのあつき
sanaburi no ichi nichi yuno no yu no atsuki
Tag des Reispflanzfestes
die heißen Quellen in Yuno
welch’ eine Hitze
(zu ‘sanaburi’ und ‘Yuno’ siehe Anmerkungen unten)
敵の数だけの野菊をもち帰る
てきのかずだけののぎくをもちかえる
teki noka kazu dake no nogiku o mochi kaeru
Ich kehre zurück mit
wilden Chrysanthemen, so viele
wie die Zahl der Feinde
鉄片やかならず男がたちどまる
てっぺんやかならずおとこがたちどまる
teppen ya kanarazu otoko ga tachidomaru
Eisenteile -
Sicher werden Männer
haltmachen
Anmerkungen
1) 苗代寒 nashirogan (auch nawashirozamu, noshirogan)
Wenn der Frühling naht, pflanzen die japanischen Reisbauern die Reissamen traditionellerweise in mit Erde gefüllte flache Wannen ein. Sind die Reissetzlinge groß genug geworden, werden sie in die Reisfelder umgesetzt und geflutet.
In der Zeit des Pflanzens wird es häufig noch einmal empfindlich kalt. Die Rückkehr der winterlichen Kühle wird nashirogan oder nawashiro-gan genannt. Die Bauern müssen in dieser Zeit besonders auf die Reissetzlinge achten. Der „viel zu lange Hals“ könnte zugleich dreierlei bedeuten: der Bauer sieht die bereits lang gewordenen Pflanzenhälse und wird sich der Gefahr durch die Kälte bewusst. Der Pflanzende spürt die Kälte vor allem am nackten Hals. Und schließlich bedeutet „kubi wo nagaku shite matsu (mit langem Hals warten)“ im Japanischen, dass man ungeduldig/mit Sehnsucht auf etwas wartet.
2) 早苗饗 sanaburi
Ein Volksfest, das im frühen Sommer nach der Reispflanzzeit gefeiert wird. Während des Festes wird ta no kami (der göttliche kami (Geist) des Reises) aus himmlischen Sphären angerufen und mit der Gottheit getrunken. Nach dem Trunk senden die Teilnehmer den kami wieder zurück. Das Volksfest hat zwei Bedeutungen: erstens dient es der Erholung nach der anstrengenden Arbeit des Reispflanzens. Zugleich ist es ein geheiligtes Ritual für die Gottheit der Nahrung. Der Festtag sanaburi ist ein kigo des Sommers.
3) 湯野 yuno
(Yuno onsen): Eine bekannte heiße Quelle (onsen) in der Präfektur Yamaguchi. Historische Dokumente besagen, dass die onsen seit dem späten 16. Jahrhundert existiert. Dagegen heißt es in einer Legende, dass sie bereits von Kaiserin Jungû (169-269 n. Chr.) angelegt worden sei.